Von der KoKoBe zum TSA

Von einer Abkürzung zur nächsten, wie groß kann da der Unterschied schon sein? Weit gefehlt! Zwischen der Kontakt-, Koordinierungs- und Beratungsstelle für Menschen mit geistiger und/oder körperlicher Behinderung und dem tagesstrukturierenden Angebot für chronisch psychisch erkrankte Menschen liegen Welten.

Keine weiß das besser als Luise Klecha. Sie ist langjährige Mitarbeiterin im FFB. Und hat zum Jahreswechsel diesen Sprung in dieses für sie ganz neue Aufgabengebiet gewagt. Zeit für eine Bilanz.

„In der ersten Woche bin ich nicht zur Ruhe gekommen“, sagt Luise mit Blick zurück. So groß sei die Aufregung gewesen und die bohrende Frage:

Was mache ich bloß mit den Leuten?

Tagesstrukturierende Angebote, manchmal als TSA abgekürzt, gibt es an allen Standorten der besonderen Wohnformen des FFB. Sie richten sich an Menschen, die (noch) nicht oder nicht mehr in der Lage sind auf dem ersten Arbeitsmarkt oder in einer heilpädagogischen Werkstatt zu arbeiten. Die Konzepte unterscheiden sich je nach Standort und Teilnehmer*innen.

An der Dahlienstraße ist nun Luise verantwortlich für die Tagesstruktur. Im Rahmen des Konzepts entscheidet die Diplom-Sozialpädagogin wie sie die Vormittage strukturiert und füllt, um neben sinnvoller Beschäftigung und Sozialkontakt auch Abwechslung zu bieten und maßgeschneiderte Förderangebote zu machen. „Persönlich zufriedenstellend und entwicklungsfördernd“ heißt es dann fachlich richtig im Konzept. Die inhaltliche und methodische Ausarbeitung liegt jedoch bei den Mitarbeiter*innen.

„Mein erster Ansatz war es, mich nach den Wünschen und Vorschlägen der Teilnehmer zu richten.“, erzählt Luise. Aber ad hoc habe es kaum Vorstellungen gegeben.

Während die erste Woche noch ein hangeln von Tag zu Tag war, entwickelten sich mit der Zeit immer mehr Ideen. „Im Alltag begegne ich jetzt oft Dingen und denke: Das wäre auch was für den TSA!“
Und bei der Arbeit mit den Teilnehmer*innen ergeben sich immer neue Impulse, die Luise aufgreift.

Neben einer bestimmten Kontinuität – dem Start in den TSA mit der Morgenrunde (einer Gesprächsrunde darüber, was es Neues gibt in Krefeld und der Welt) – nutzen die TSA-Teilnehmer*innen an der Dahlienstraße mit Luise auch sich spontan ergebende Möglichkeiten.
„Man kann nicht warten und einen Ausflug zum Alexanderplatz von langer Hand planen! Wenn es einmal losgeht, sind die Kirschblüten schnell verblüht.“
Das Hochwasser am Rhein führte zu einer spontanen Erkundung. Und auch zum Elfrather See sind die TSA-Teilnehmer*innen kurzentschlossen aufgebrochen, um die Wildgänseküken anzuschauen, von denen sie in der Morgenrunde in der Zeitung gelesen hatten.

Drei Teilnehmerinnen des TSA beim spontanen Ausflug zum Alexanderplatz

Vom „kalten Wasser“ zu einer ganzen Themenreihe

Daneben hat Luise mittlerweile eine ganze Themenreihe konzipiert und mit ihren Teilnehmer*innen bearbeitet. „Viele der Teilnehmer haben keine gute Körperwahrnehmung und auch wenig Körpergefühl.“
Dieser Förderbedarf gab den Anstoß für die Reihe „Die Sinne des Menschen“. Nach und nach näherten sich die Teilnehmer*innen einer Wahrnehmungsform nach der anderen an. Je nach Fähigkeiten und auch mit kurzen Filmen zum Einstieg, Erklärungen und Diskussionen, vielen verschiedenen praktischen Übungen zum selbst ausprobieren und dem Beleuchten von Sprichwörtern rund um die Sinne – und ihrem übertragenen Sinn.

Die Reihe ist gerade abgeschlossen. Als nächstes kommen nun die Hände dran. Und auch dafür ist Luise schon voller Ideen: „Da kann man so viel machen und ausprobieren: Was können unsere Hände alles, wofür brauchen sie, wie wichtig ist zum Beispiel auch der Daumen und was kann man eigentlich noch ohne?“ Bilder könne man aus Handabdrücken machen, Bewegungsübungen extra für Hand und Finger, Feinmotorik, und und und…
Für Luise wichtig: Feedback! Wenn den Teilnehmer*innen etwas besonders gefällt, wird es ins Programm aufgenommen, Aktivitäten, die nicht so gut ankommen, eben nicht. Wenn die Teilnehmer*innen also Spaß haben an dem Themenschwerpunkt Hand, könnten danach die Füße drankommen.

„Neben dem, was wir praktisch machen, finde ich es besonders wichtig, mit den Teilnehmern den Blick auf das Positive zu lenken. Das Schöne im Leben wahrzunehmen.“

Dass so einmal ihr Arbeitsalltag aussehen würde, hätte sich Luise vor zwei Jahren nicht einmal vorstellen können. Als Mitarbeiterin der Kokobe, der Kontakt-, Koordinierungs- und Beratungsstelle für Menschen mit geistiger Behinderung sah ihr Arbeitsalltag noch ganz anders aus.

„In einer offenen Beratungsstelle gibt es Anfragen zu verschiedensten Themen.“  Von Unterstützung bei Erstanträgen bis hin zu Öffentlichkeits- und Netzwerkarbeit, Veranstaltungen und natürlich auch einem administrativen Teil, zusammen mit ihrer Kollegin von der Lebenshilfe gehörte Luise seit 2011 fest zum Gesicht der Kokobe.
„Eigentlich dachte ich, da bleibe ich bis zur Rente.“
Dadurch, dass der FFB seit Anfang des Jahres nur noch Kooperationspartner ist, und nicht mehr aktiv als Träger an der Kokobe beteiligt ist, geriet diese Perspektive ins Wanken. „Die Information kam jedoch mit einem Jahr Vorlauf, das war gut.“
Die Vorstellung zukünftig mit der Zielgruppe chronisch psychisch erkrankten Menschen zu arbeiten, war zunächst für Luise persönlich keine schöne. Nach einiger Zeit kam sie jedoch zu dem Schluss:

„Es ist nie verkehrt, sich auf etwas Neues einzulassen.“


Und sie wusste: hätte es nicht geklappt, hätte es innerhalb des FFB noch andere Möglichkeiten gegeben.

Die Arbeit mit chronisch psychisch erkrankten Menschen birgt wie erwartet Herausforderungen

„Ich lerne mich abzugrenzen und Dinge nicht auf mich zu beziehen.“, erzählt Luise. Und auch zu akzeptieren, dass es manchen Menschen aufgrund der psychischen Erkrankung nicht immer möglich ist, einem festen Tagesablauf zu folgen.
Luise bleibt dann weiter in Kontakt, damit die Teilnehmer*innen wissen, dass sie trotzdem herzlich eingeladen sind und jederzeit teilnehmen können.
Dauerhaft ist jedenfalls seit Anfang des Jahres keine*r „eingeknickt“.
Das kann und will sich Luise jedoch nicht auf die Fahne schreiben. „Dafür ist nicht allein mein TSA-Angebot wichtig gewesen“, betont sie und sieht vor allem die Leistung des gesamten Teams der Dahlienstraße und die Zusammenarbeit als entscheidend. „Die Leute hier machen alle einen guten und engagierten Job.“